Hauptsache Bildung – das ganze Interview

Anfang August erschien im Blog Hauptsache Bildung ein Artikel zum Thema „Wikis als Lerninstrument im Schulunterricht„. Dort wurden einige Aussagen von mir zitiert. Das gesamte Interview könnt ihr hier ergänzend nachlesen.

1. Wie sehr, denkst du, verändert Wikipedia die Vorbereitung auf den Unterricht? Gerade weil es noch immer viele editierbare Artikel gibt, ist die Sicherheit dieser Quellen nicht gewährleistet. Zugleich sind es auch nicht nur Schüler, die dort nach Informationen suchen, sondern auch die Lehrer.

Ich denke, dass das Online Lexikon Wikipedia die Vorbereitung auf den Unterricht schon gravierend verändert bzw. verändern kann. Aus Schülersicht: es ist sehr einfach im Internet nach bestimmten Wissensinhalten zu suchen. Das was an Allgemeinwissen in der Schule vermittelt wird, das ist auch sehr fundiert in der Wikipedia abgebildet und man kann den Informationen recht gut vertrauen. Aufgrund der Schnelligkeit löst die Wikipedia ein normales Lexikon im Buchformat ab. Denn man muss nicht das Alphabet durchgehen, um den richtigen Lexikonband zu finden und dann auch noch lang blättern, um den gewünschten Suchbegriff zu finden. Obendrein bietet mir Wikipedia noch mehr Wissen, da es ein Hypertext ist. In einem Printlexikon sind Begriffe nicht miteinander verlinkt, d.h. verstehe ich nicht den gesamten Text, weil dort Fachbegriffe stehen, die mir fehlen, wird das Arbeiten und recherchieren einen sehr langen Zeitraum umfassen. In der Wikipedia sind oft in einem Artikel auch noch andere Wörter verlinkt, wo ich als Schüler binnen Sekunden eine Erläuterung bekomme. Jedoch hat die Wikipedia einen sehr wissenschaftlichen Anspruch, was es mir als Schüler oft schwierig macht, die Artikel zu verstehen oder ich gelange immer weiter weg vom eigentlichen Thema. Auch hier kann dann eine Recherche recht lang werden. Also ganz kurz: Die Schüler finden sehr schnell gute Informationen, die aber nicht immer kindgerecht verständlich sind oder sie finden ein Überangebot an Informationen. Deshalb ist ein Kinderlexikon in Printform sicher auch empfehlenswert. Aus Lehrersicht: Ein Lehrer weiß auch nicht immer alles und kann so z.B. Fragen der Schüler noch ad hoc im Unterricht beantworten, ohne dass die Kinder erst bis zur nächsten Stunde warten müssen und möglicherweise unbefriedigt nach Hause gehen. Wikipedia verändert auch das Lehrerleben bzgl. der Vorbereitung von Referaten oder Hausaufgaben. Heute kann man sehr wahrscheinlich davon ausgehen, dass die Schüler viel bei Wikipedia kopieren, d.h. man ist gezwungen sich neue Aufgabenstellungen auszudenken, sodass das Abschreiben keinen Sinn macht. Aber auch Lehrer haben Vorteile – viele Materialien sind dort sehr gut aufbereitet. man findet sehr schönes Bildmaterial, die Quellen sind meist auf dem aktuellsten Stand der Forschung, sodass man sich auch als Wissensvermittler binnen Sekunden vorbereiten kann. Du siehst deine Frage beleuchtet die Sonnen- und die Schattenseite der Wikipedia.

2. Es wird viel von Medienkompetenz gesprochen. Wenn man darunter die Anwendung von Software zur Informationsbeschaffung versteht, ist das dann nicht etwas, was sich die Kinder schon auf unterhaltsame Weise in ihrer Freizeit aneignen? Oft müssen ja die Lehrer geschult werden – nicht die Schüler.

Das ist eine sehr provokante These. Bezogen auf die Informationsbeschaffung mittels dieser Technik müssen beide Seiten noch viel lernen. Medienkompetenz heißt ja nicht, dass ich weiß, wie ich mir mit geringstem Aufwand meine Hausaufgaben erstelle. Auch ein Schüler muss letzten Endes mal eine Prüfung ablegen. Also kurzum: Der Schüler muss ebenfalls die Mechanismen hinter der Wikipedia verstehen und auch kritisch mit den gefundenen Informationen umgehen. Ein Schüler sollte lernen nicht nur eine Informationsquelle zu nutzen – das hat man früher ohne Internet schon gelernt und sollte auch weiter bei behalten werden. Auch die Lehrer müssen schauen, welche Möglichkeiten bietet heutzutage das Internet. Denn dort sind manchmal sehr tolle Schätze – mal abgesehen von Wikipedia – zu finden. Jedoch müssen auch sie die entsprechenden Quellen bewerten und dies geht natürlich nicht ohne ein gewisses Grundverständnis der neuen Technologie. Wie gesagt: beide Zielgruppen müssen geschult werden – nur vielleicht mit anderen Inhalten und Herangehensweisen.

3. OER wird in Deutschland anscheinend eher skeptisch betrachtet. Freie Lern- und Lehrmaterialien unterliegen wie vielen kostenlosen Angeboten dem Vorurteil, sie seien qualitativ unzureichend. Stimmt es also, dass, wer didaktisch durchdachtes Material, aber auch Software, einsetzen will, auch finanziell investieren muss? Oder siehst du OER als sinnvolle Ergänzung hierzu?

Zunächst mal auf deine erste Frage provokant geantwortet: Ist alles das, was (viel) Geld kostet gleich immer auch qualitativ wertvoll? Die freien Lehrmaterialien, die es bereits gibt, haben oftmals Lehrer schon entwickelt, da war noch nicht die Rede von OER. Diese Materialien hatten sie auch schon in ihrem Unterricht im Einsatz. Nun haben sie mit der Web 2.0-technologie die Chance ihre Materialien zu teilen und können von Ideen der anderen profitieren und sich eben diese austauschen. Sind die Materialien deshalb schlecht? Ähnlich wie man es mit den Medien der Schulbuchverlage macht, so sollte man dies auch mit den kostenfreien tun. man muss immer schauen, was passt davon in meinen Unterricht und wie muss ich das Material möglicherweise doch modifizieren, um einen guten Unterricht zu haben. Außerdem gibt es von verschiedenen Organisationen wie z.B. der BpB hervorragendes kostenfreies Material. Also du siehst OER Materialien müssen nicht per se schlecht sein. Ganz im Gegenteil: OER eröffnet großartige Chancen. Jeder Lehrer hat die Möglichkeit auf das Material zuzugreifen und kann es auf seinen Unterricht anpassen und an die Community zurückgeben. Mit gekauften Materialien von Schulbuchverlagen ist das nicht so einfach möglich, da wir hier dann beim Urheberrecht landen.

4. Tausende von Lehrern erarbeiten jeden Tag aufs neue Unterrichtskonzepte. Viele Konzepte sind natürlich auf die jeweilige Klasse angepasst. Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es, Lehrer besser miteinander zu vernetzen? Gutes Material, welches urheberrechtlich abgesichert ist, sollte nicht im Regel eines Lehrers verstauben, oder?

Richtig. Eine sehr gute Plattform bietet ZUM. Hier können sich Lehrer in einem Wiki vernetzen und Materialien und Unterrichtskonzepte einstellen, gemeinsam weiter entwickeln oder einfach nur um Rat fragen. Allerdings muss sich die Kultur und das Denken bei den Lehrern erst noch durchsetzen. Leider teilen die Lehrer ihre Schätze nicht oder nur sehr zaghaft. Aber ich denke das wird sich in naher Zukunft auch ändern.

5. Eine Gefahr des digitalen Lernens besteht darin, sich zu schnell mit zu vielen Informationen zu überfordern. Dann tritt das auf, was Kognitionswissenschaftler schon jetzt in Bezug auf den Einfluss von Google auf unsere Wissensvermittlung verteufeln: Wir lernen nicht mehr das Wissen auswendig, sondern nur noch, wo wir dieses Wissen finden. Wie siehst du dieses Problem?

Ich habe in meiner Lehrtätigkeit, aber auch privat Ähnliches erlebt. In der Schulzeit wird man bisher nur dazu getrimmt, sich Wissen für die nächste Klassenarbeit anzueignen und dieses nur bis dahin im Kopf zu behalten. Hat man die Prüfung hinter sich gebracht, wird das Gelernte schnell vergessen und platz für das Neue gemacht. Das ist also eigentlich kein Problem des Internets und des Informationsüberflusses. Das Internet unterstützt das ganze eher. Es ist wirklich schade, dass Wissen kaum in Zusammenhängen gesehen wird. Es ist nicht unbedingt wichtig, die Lebenszeiten eines Königs zu kennen, sondern es ist wichtig zu wissen, was hat diese Person bewirkt und warum sowie warum konnten sich bestimmte Dinge ereignen und warum nicht.

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